Die Re:publica ist die größte europäische Digitalkonferenz. Sie findet jährlich Anfang Mai in der Station Berlin am Gleisdreick statt. 2019 besuchten insgesamt 25.000 Menschen an drei Tagen die Re:publica.
In diesem Jahr war ich zum ersten Mal mit dabei. Die Republica fühlt sich an wie ein überdimensionales Barcamp - nur ohne Vorstellungsrunde und Sessionplanung. Es finden viele tolle Sessions parallel statt und man muss sich - wie auf einem Barcamp - entscheiden, wo man hingeht. Manchmal kommt man auch wegen Überfüllung nicht mehr in den Raum. Da hilft es frühzeitig vor Ort zu sein. Doch die Wege sind nicht kurz. So bin ich ständig zwischen der Hauptarea um den Hof und dem außenliegenden Kühlhaus hin und her gewetzt. Denn im Kühlhaus nebenan fand im 5. Stock (ohne Aufzug) die re:learn statt. Die insgesamt rund 30 Sessions der re:learn befassten sich mit Themen rund und Bildung & Medien. Eine Etage tiefer befand sich die zugehörige Workshop-Area. Der Rest des Kühlhauses wurde von der Tincon beherrscht. Die Tincon ist ebenfalls eine Messe, die sich an 13-21jährige wendet.
Das Motto der 13. Re:publica lautet: »too long; didn’t read?« – #tldr
Wenn Verkürzungen zu simplen Parolen und Slogans werden, die missbraucht werden, um die Gesellschaft zu spalten und demokratische Systeme zu zerstören, müssen wir mit Wissen und Information, mit Empathie, Dialog und Solidarität dagegen halten.
In der Session »Ich, Eisner! 100 Jahre Revolution in Bayern« wurde das erfolgreiche Netzprojekt des BR vorgestellt. Das Whatsapp-Projekt wurde im April 2019 mit dem deutschen Digital Award in Bronze ausgezeichnet.
Beindruck war ich auch von dem Engagement der Stadtbibliothek Pankow. Hier scheint der digitale Wandel der Bibliotheken in greifbarer Nähe: Mit Coding- und Robotikangeboten sowie Öffnungszeiten am Sonntag wandelt sich die verstaubte Bücherei in einen Ort, an dem gemeinsam Bildung erlebt werden kann. Ich wünsche mir, dass dieser Wandel möglichst bald in vielen Stadtbibliotheken einsetzt.
Ebenfalls begeistert hat mich der Vortrag von Jacob Chammon, dem Schulleiter der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule in Berlin. Von den Skandinaviern können deutsche Schulen viel lernen. Ist doch ein Verbot von Smartphones in der Schule viel einfacher, als die Erlaubnis inklusive klaren Regeln und der Zeit, die Diskussion mit Schülern und Eltern kosten. Doch der Gewinn für die heranwachsende Generation ist Medienbildung.
Überall auf dem Gelände der Republica waren VR-Brillen im Einsatz. AR und VR waren auch häufig Thema von Session: »Besser lernen mit VR«, »VR & AR: The Art of Immersive Storytelling« und »VR for the People: How anyone can build a virtual reality univers«.
Natürlich habe ich auch die Rede von Sascha Lobo an die »digitale Nation« live mitverfolgt. Der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt, um Lobos Ansichten zum »Realitätschock« zu lauschen. Lobo hat dann auch für sein im Herbst pünktlich zur Buchmesse erscheinendes Buch Werbung gemacht.
Ein weiteres Highlight für mich persönlich war die Diskussion im Rahmen der Media Convention zwischen der Quarks-Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim und dem WDR-Intendanten Tom Buhrow zum Thema. Wissenschaft braucht lautere Stimmen, mit der neue Erkenntnisse an die Allgemeinheit getragen werden. Interessant fand ich die Antwort von Tom Buhrow auf die Frage: Was sollten Kinder heute lernen/wissen? »Neben Lesen, Schreiben, Rechnen und den Grundzügen der Naturwissenschaften sollte jeder die Geschichten des Neuen und Alten Testaments kennen, um Kultur und Geschichte besser verstehen zu können.« – interessant!
Recht lustig war die Session »Best of DSGVO-Armageddon«, welche die Auswüchse und Fehlannahmen der DSGVO im Jahr 2018 in witziger Weise vorstellte.
In der Session »Wenn der Computer "nein" sagt« ging es um eine Algorithmus den das Österreichische Jobcenter aufsetzen lässt, um seine finanziellen Mittel optimal unter den Arbeitssuchenden zu verteilen. Dramatisch ist jedoch die hinter dem Algorithmus steckende systematische Diskriminierung von Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie kranken und älteren (ab 50 Jahre) Menschen. Dass Algorithmen diskriminieren ist nicht neu, denn die Grundlage für Algorithmen sind starre Regeln. Die Ergebnisse solcher Programme teilen Menschen in klar definierte und voneinander getrennte Gruppen. Menschen, die mit solchen Programmen arbeiten, hinterfragen die Ergebnisse fast nie, sondern lassen sich in ihren Entscheidungen eher davon leiten.
Etwas schade war, dass Astronaut Alexander Gerst erst am Mittwoch kurz vor dem Ende der Republica seinen Auftritt hatte. Gerst hätte ich gerne live mitverfolgt – leider war ich da schon auf dem Rückweg...
Dies war nur ein kleiner Auszug aus dem vielfältigen Programm der Re:publica 2019. Sessions im Republica-Kanal auf Youtube