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So lernen Kinder: Ergebnisse moderner Gehirnforschung

Gehirn - Quelle: Pixabay
Gehirn - Quelle: Pixabay

Frühkindliche Lern- und Erfahrungsprozesse haben einen großen Einfluss auf die späteren intellektuellen Fähigkeiten. Intelligenz ist das Ergebnis aus der angeborenen Leistungskapazität des Gehirns und den Umweltbedingungen unter denen das Neugeborene heranwächst. So verfügen wir bereits vor der Geburt über Milliarden von Nervenzellen. Doch nicht ihre Anzahl ist ausschlaggebend, sondern die Art der Verknüpfungen. Bei Neugeborenen finden sich etwa 50 Billionen solcher Verbindungen. Im Verlauf des ersten Lebensjahres steigt die Anzahl dieser neuronalen Verknüpfungen im Gehirn sprunghaft an. Dies resultiert aus den zahlreichen Reizen der Umwelt, die auf das Neugeborene einwirken. Durch Reiz-Wiederholungen verstärken sich die Verknüpfungen zwischen den gleichzeitig angeregten Nervenzellen in dem neuronalen Netzwerk. Solche Verbindungen, die nur wenig angeregt werden, verkümmern wieder. Dies ist nicht als Verlust zu bewerten, sondern als notwendige Selektion.

Sensible Phasen
Das menschliche Gehirn benötigt rund 20 Jahre, bis es vollständig entwickelt ist. Doch die entscheidenden Phasen liegen ganz zu Beginn. So unterliegt die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten einem vorgegebenen Zeitfenster. Der Anfangszeitpunkt dieser sensiblen Phasen ist genetisch festgelegt. Die Zeitspanne, in der das Gehirn sensibel für das Erlernen einer bestimmten Fähigkeit ist, hängt stark von den Umwelteinflüssen ab. Deshalb ist es schwierig, diese sensiblen Phasen zeitlich festzulegen.

Doch Beobachtungen zeigen, dass der Spracherwerb zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr erfolgen muss. Danach wird nur noch der Wortschatz ausgebaut und der Satzbau verbessert. Verpasst ein Kind, wie die Beispiele der Wolfkinder zu denen zum Beispiel Kaspar Hausser zählt, so können sie wenig bis gar nicht mehr Sprechen lernen. Deshalb ist es für den Spracherwerb von Kindern unbedingt notwendig, dass um sie herum viel gesprochen wird. Sie verknüpfen akustische mit visuellen Reizen. Wenn die Mutter den runden, bunten Gegenstand immer wieder als „Ball“ bezeichnet, lernt das Kind, dass dieses Ding „Ball“ heißt.

Ähnliches gilt für die Entwicklung des Sehens. Insgesamt dauert es rund acht Jahre bis die Entwicklung der Sehfähigkeit vollständig abgeschlossen ist. Das grundlegende Sehen muss allerdings bereits im ersten Lebensjahr erfolgen. So haben es Blindgeborene, die durch eine Operation erst sehr viel später die Möglichkeit zum Sehen erlangen, sehr viel schwerer, diese Fähigkeit voll zu entwickeln. Denn Sie können nicht verstehen, was sie sehen, da ihnen die ersten Eindrücke fehlen. Das heißt nicht, dass sie es nicht schaffen können – doch es dauert länger und fällt ihnen schwerer. Denn mit zunehmendem Alter nimmt auch die Lerngeschwindigkeit ab.

Grundvoraussetzungen für optimales Lernen
Wahrnehmung und Lernen sind demnach eng miteinander verknüpft und alle Lernprozesse folgen dem gleichen Muster. Während der sensiblen Phasen genügen kleinste Reize zur Aktivierung des Lernprozesses. Das Gehirn nimmt während dieser Zeit ganz sequenziell Reize auf und blendet alles andere aus. Dies erklärt auch, warum Kinder sich für andere Dinge interessieren als Erwachsene. Sie achten auf das, was gemäß ihrem Entwicklungsstand gerade wichtig ist.

Genau hier sollte man bei der Förderung des Nachwuchs ansetzen: Beobachten, welche Interessen der Sprössling aktuell hat und dementsprechende Möglichkeiten schaffen, damit das Kind diese voll ausleben kann.

Weiterhin wichtig für eine optimale Entwicklung ist die Funktionstüchtigkeit aller Sinne. Deshalb sollten Eltern stets die organischen Voraussetzungen ihres Kindes im Blick haben. Gutes sehen, hören und die Sinnesverarbeitung der Haut sind wichtig, um lernen zu können. Außerdem sollte man seinem Kind ausreichend Möglichkeiten geben, sich auszuprobieren und seine Umwelt aktiv zu erfahren.

Für den Lernerfolg wichtig, ist vor allem der Spaß am Lernen. Forschungen haben gezeigt, dass positive Gefühle während des Lernprozesses eine bessere Erinnerungsfähigkeit bewirken. Die Ergebnisse zeigen damit auch, dass Gefühle und Denken stark miteinander verbunden sind. Deshalb sollte man stets für eine positive emotionale Lernumgebung sorgen.

Einen positiven Effekt auf die generelle Lernfähigkeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen haben unter anderem Hobbys, wie das Spielen eines Instruments, sportliche oder kreative Aktivitäten.

Quelle:
Manfred Spitzer: Lernen,  Spektrum Akademischer Verlag, 2003,  ISBN: 3827413966

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