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Der Gießkannenschwamm: Glasbaumeister der Tiefsee

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Gießkannenschwamm, Quelle: commons.wikimedia.org
Wie viele Tiefseeorganismen, bergen Glasschwämme viele ungelöste Geheimnisse der Natur. Die meisten Schwämme besitzen – im Unterschied zu dem wohl bekanntesten Schwamm, dem Badeschwamm – ein festes Skelett. Das der Glasschwämme besteht aus Biosilikat, also biogenem Opal. Somit sind diese Lebewesen in der Lage ein anorganisches Material zu synthetisieren.

Glasschwämme
Schwämme zählen zu den ältesten vielzelligen Tieren der Erde. Seit mehr als 540 Millionen Jahren bevölkern sie die Tiefen der Meere. Glasschwämme stellen rund sieben Prozent aller bekannten Schwämme. In der Tiefsee sind nur wenige Arten vertreten, die allerdings 90 Prozent der am Meeresboden sitzenden Lebewesen, dem Benthos, ausmachen. Der Gieskannenschwamm ist unter den Glasschwämmen der einzige, der auch in geringen Tiefen überleben kann, weshalb er auch in dem einen oder anderen Aquarium anzutreffen ist. Normalerweise lebt er in Tiefen zwischen 40 und 5000 Metern Tiefe.

Das Skelett des Gießkannenschwamms Euplectella aspergillum besteht aus Biosilikat, also amorphem wasserhaltigem Siliziumdioxid, welches er mittels eines speziellen Enzyms namens Sillikatein alpha produziert. Das allein ist schon eine herausragende Leistung. Denn wie viele Tiere stellen schon anorganische Substanzen her? Doch diese Schwamm-Spezies birgt noch mehr Rätsel, aus deren Entschlüsselung der Mensch lernen kann.

1. Mechanische Eigenschaften
Das Bioglas ähnelt technisch hergestellten Glasfasern. Gegenüber dem technischen Produkt verfügt das biologische Material über eine deutlich bessere Flexibilität und Stabilität. So kann man die Glasfaser des Tiefseebewohners weit umbiegen; technische Glasfasern hingegen brechen beim Biegen äußerst schnell. Einzelnen Fasern des Gießkannenschwamms werden zwischen fünf und zwanzig Zentimeter lang und sind ebenso dünn, wie ein menschliches Haar. Das Skelett dieses Schwammes besteht aus einem Netz von Fasern, die zu einem kolbenförmigem, löchrigem Gebilde verflochten sind. Die Form erinnert an einen Trichter oder den Ausguss einer Gießkanne, woher das Tierchen seinen Namen hat. Innen ist es hohl.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und Forscher des US-amerikanischen Bell Laps sowie der Universität Kalifornien haben 2005 das gläserne Skelett auf seine bruchfeste Konstruktion hin mikroskopisch untersucht. Sie fanden heraus, dass die Festigkeit aus sieben unterschiedlichen Bauebenen resultiert. Die ersten drei Schichten bestehen aus Glaslamellen, die miteinander durch eine dünne Klebeschicht aus organischem Material verbunden sind. Das Glas selbst entsteht vermutlich durch das Aneinanderfügen von Silikat-Nanopatikeln. In einer vierten Schicht sind Glasfasern unterschiedlicher Stärke zu Bündeln verwebt. Diese Stränge verlaufen vertikal, horizontal sowie diagonal – ähnlich einer Fachwerkkonstruktion. Dieses Netzwerk bildet die fünfte Schicht. In der sechsten Ebene verstärken spiralförmige Rippen das Glasgeflecht, um dem hohen Wasserdruck in großen Tiefen standzuhalten. Die siebte und letzte Ebene der Gesamtkonstruktion stellt die geschwungene, nach unten verjüngte Form des Schwammgerüstes dar. Die Spitze ist im Meeresboden verankert.

Einzelne dieser Konstruktionsarten werden schon lange im Bauwesen eingesetzt. So zum Beispiel beim Eifelturm. Doch die Gesamtheit des vom Gießkannenschwamm eingesetzten Konstruktionsprinzips über mehrere Größeneinheiten – also vom Nanometer- bis zum Zentimeterbereich – ist in der Technik so noch nicht umgesetzt worden. Die Forscher erhoffen sich durch diese Erkenntnisse neue Impulse für die biomimetrische Materialforschung. Des Weiteren ist überaus erstaunlich, dass ein so primitiver Organismus, wie ein Schwamm, über derart komplexe Baumechanismen verfügt.

2. Lichtleitfähigkeit
Die Lichtleitfähigkeit der Schwammfasern übersteigen die von herkömmlichen Glasfasern. Doch warum verfügt ein Tiefseebewohner überhaupt über ein lichtleitendes Glashaus? Der Schwamm lebt mit einer biolumineszenten Krabbenart in Symbiose. Das Glasgehäuse des Schwammes wird von den Krabben beleuchtet und lockt so Nahrung für die „Untermieter“ an. Im Gegenzug reinigen die Krabben den Schwamm.

Der Ehekäfig
Der Geißkannenschwamm lebt vorwiegend im westlichen Pazifik; siedelt jedoch in allen Ozeanen. In Japan bezeichnet man ihn auch als „Gefängnis der Ehe“, da durch die Löcher im Schwammgerüst Larven der Krabben eindringen. Meist handelt es sich um ein Pärchen. Schon bald sind die Bewohner zu groß und in ihrer Behausung gefangen. Das Krabbenpaar verbringt sein gesamtes Leben im Innern des Schwamms. Somit ist das Skelett des Gieskannenschwamms ein beliebtes Hochzeitsgeschenk. Wegen dieser ungewöhnlichen Symbiose hat der Schwamm einen zweiten Namen erhalten: Venusblumenkörbchen.

Quellen:

Max-Planck-Gesellschaft: Biologischer Glaskäfig aus der Tiefsee, 7.07.2005

 

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