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Verkehrssysteme profitieren von Schwarmforschung

Fischschwarm - Quelle: Pixabay
Fischschwarm - Quelle: Pixabay

Schwarmintelligenz hilft Staus zu vermeiden und Massenpaniken frühzeitig zu erkennen.
Ein Schwarm ist eine einheitliche Masse aus Individuen, die sich scheinbar homogen bewegt. Die Intelligenz des Schwarms als Ganzes zeigt sich an dem abgestimmten Zusammenspiel des Verhaltens des Einzelnen und der gesamten Masse.
Dem Schwarm-Verhalten steht das Rudel-Prinzip gegenüber. In einem Fischschwarm funktionieren alle Fische wie ferngesteuert. Kein einzelner schwimmt zu dicht auf oder verliert den Anschluss. Selbst wenn plötzlich ein Richtungswechsel erfolgt, gibt es keine Zusammenstöße oder Ausreißer, die es nicht mitbekommen haben. Auch Insektenschwärme und Vögel sind zu diesem Verhalten in der Lage. Die Antworten auf die Fragen, wie sich die Masse lenkt, welche Mechanismen die Steuerung übernehmen und nach welchen Gesetzen die Individuen handeln, sind für die Verkehrsforschung äußerst interessant – und bislang weitgehend unbekannt.

Moderne Verkehrssteuerung nutzt neuronale Netze und evolutionäre Algorithmen
Früher wurden Ampeln mit Festzeitprogrammen gesteuert. Heute regeln vor allem verkehrsabhängige Steuerungen die Schaltung an einzelnen Kreuzungen. Sie basieren auf Erfahrungswerten wie etwa der Auslastung zu bestimmen Tageszeiten. Bei hohem Verkehrsaufkommen geraten diese dezentralen Systeme jedoch schnell an ihre Grenzen. Deshalb setzt man inzwischen an besonders frequentierten Knotenpunkten netzadaptive Steuerungen ein. Die Ampelschaltung wird dabei je nach dem aktuellen Verkehrsaufkommen optimiert. Dazu muss der Verkehrsfluss gemessen werden. Das geschieht zum Beispiel über in den Asphalt eingelassene Induktionsschleifen. Aus den so gewonnenen Verkehrsdaten lassen sich Prognosen für die nächste Ampel berechnen, so dass der Stau nicht einfach nur verlagert wird. Weitere Maßnahmen zur intelligenten Verkehrsführung sind unter anderem Parkleitsysteme und Verkehrsbeeinflussungsanlagen, die Informationen an die Verkehrsteilnehmer übermitteln. So können diese ausweichend handeln. Auch individuelle Lösungen, wie Stau-Umfahrung bei Navigationssystemen helfen die Verkehrssituation zu entlasten.

Doch die mathematischen Modelle sind extrem komplex. Müssen sie doch individuelle Verhaltensweisen mit einbeziehen. So folgt der Tourist der Beschilderung, während der Berufspendler nach einem Schleichweg sucht, um schneller ans Ziel zu kommen. Auch das ständige Abbremsen und Beschleunigen müssen in die Verkehrsmodelle mit einfließen. Genetische Algorithmen setzen auf den Zufall. Denn gute Lösungen setzen sich evolutionsgeschichtlich gesehen immer durch. Dazu arbeitet man mit Zielvorgaben, wie: Der Durchsatz an Fahrzeugen soll an einer Straßenkreuzung eine bestimmte Zahl erreichen oder eine Warteschlange an einer Ampel darf eine bestimmte Länge nicht überschreiten.

Kommunikationsstrukturen im Schwarm
Auch Passanten in einer vollen Fußgängerzone bewegen sich nicht wild durcheinander: Es bilden sich Bahnen. Denn jeder einzelne möchte so schnell wie möglich voran kommen, ohne unnötige Zeit mit Ausweichmanövern zu verlieren. Somit existiert das Schwarmverhalten auch bei Menschenmassen, wie bei Demonstrationen, Großveranstaltungen und im Fußballstation. Eine Massenpanik kündigt sich zudem durch bestimmte Frühwarnzeichen an.

Doch wie funktioniert die Kommunikation zwischen den Individuen? An Heuschrecken hat man herausgefunden, dass der Körperkontakt zu Artgenossen ausschlaggebend für das zusammenrotten der Masse ist. Der Zusammenhalt wird durch die Ausschüttung von speziellen Duftbotschaften gesteuert. Auch Fische wenden für das schwimmen im Schwarm keine besonders anspruchsvollen Gedächtnisleistungen auf. Heringen reichen drei Grundsätze, denen sie folgen müssen: 1. Bei der Gruppe bleiben. 2. Zusammenstöße vermeiden. 3. In die gleiche Richtung, wie der Nachbarfisch schwimmen.

Schwarmversuch mit einer Menschenmenge
Was für Fischschwärme gilt, gilt auch für menschliches Verhalten. Verhaltensbiologen der University of Leeds machten im Jahr 2007 zusammen mit dem WDR ein menschliches Schwarm-Experiment. Dazu luden sie 300 Personen ein. In einer Messehalle sollten die Teilnehmer ständig in Bewegung bleiben und eine Armeslänge Platz zwischen sich und seinen Nebenleuten einhalten. Natürlich durfte während des Experiments nicht gesprochen werden. Nach einem anfänglichen Chaos formte sich nach einiger Zeit ein rotierender Kreis. Dieses spontane Muster bildet sich deswegen, weil sich jeder bemüht hinter seinem Vordermann herzulaufen und dabei Ausweichmanövern aus dem Weg zu gehen. Solche kreisförmigen Muster sind auch von einigen Fischarten, wie dem Zitronenhaien oder Barrakudas bekannt.

Quellen:
SpiegelOnline: Schwarm-Experiment: Menschen sind auch nur Fische, 12.3.2007

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