Roboter erkunden ihre Umwelt mit Tasthaaren
Obwohl Sehen und Hören sowohl dem Menschen als auch den Tieren viele Informationen vermitteln – ohne den Tastsinn fiele die Orientierung schwer.
Während der Sehsinn vorrangig Informationen über weit entfernte Objekte liefert, ist der Tastsinn für die Erkundung naheliegender Hindernisse zuständig. Vor allem nachtaktive Tiere und Meereslebewesen verlassen sich weit stärker auf ihre Haptik als auf ihre Augen. Ratten und Spitzmäuse bewegen ihre Tasthaare im Gesicht mit schnellen Bewegungen äußerst kontrolliert vor und zurück. So ertasten sie ihre unmittelbare Umgebung. Sie erkennen dabei Objekte, bestimmen deren Form, Größe und Oberfläche und verfolgen auf Grund der haptischen Sinnesinformationen ihre Beute. So gelingt es der Spitzmaus, dem kleinsten bekannten Säugetier, Beutetiere von beinahe der eigenen Körpergröße zu erlegen. Um erfolgreich zu sein, muss sie sehr schnell und präzise angreifen. Dabei verlässt sie sich sehr stark auf ihren ausgeprägten Tastsinn.
Katzen und ihre Schnurrhaare
Katzen sind das Paradebeispiel, wenn es um Schnurrhaare geht. Die Tast- oder Schnurrhaare nennt man Vibrissen. Es sind spezielle Haare, die vielen Säugetiere meist im Gesicht wachsen. Sie sind dicker, fester und länger als die Fellhaare und auf die Wahrnehmung taktiler Reize spezialisiert. Die Vibrissen bestehen – wie alle Haare – aus leblosem Material. Sie selbst enthalten keine Nerven. Sie sind jedoch in einen Follikel eingebettet. Dieser ist mit Blut gefüllt und in seiner Außenwand liegen zahlreiche freie Nervenenden. Wird ein Tasthaar berührt, biegt es sich und erzeugt im Follikel eine Bewegung des Blutes. Die Blutflüssigkeit dient als Trägersubstanz zur Verstärkung des Reizes. So können Katzen selbst minimale Reize registrieren. Bei ihnen sind die Follikel der Tasthaare zusätzlich von Muskelgewebe umgeben, wodurch sie die Schnurrhaare aktiv bewegen können. Hauskatzen verfügen neben den Schnurrhaaren an der Schnauze zusätzlich über Mikrovibrissen an der Ober- und Unterlippe sowie an den Innenseiten ihrer Tatzen. Währen die Makrovibrissen der Schnauze zur Lokalisierung von Objekten dienen, sind die Mikrovibrissen auf das Erkennen von Größe, Form und Materialeigenschaften spezialisiert.
Seehunde und ihr Tastsinn
Auch im Wasser sind Tasthaare von Vorteil. So orientieren sich beispielsweise Seehunde mittels ihrer Barthaare im trüben und dunklen Meerwasser. Zu dem System der Seehund-Vibrissen zählen rund 100 Barthaare, die jeweils mit mehr als 1500 Nerven ausgestattet sind. Mit diesen Sensoren können die Tiere Wasserbewegungen von weniger als einem Tausendstel Millimeter wahrnehmen. Somit orten sie andere Meeresbewohner, wie zum Beispiel Fische, anhand deren Schwimmbewegungen und den dadurch erzeugten Turbulenzen. Damit folgen Seehunde quasi Strömungsspuren im Meer.
Tastroboter und Sensoren
Die Einbeziehung des Tastsinns in moderne Roboter eröffnet diesen zusätzliche Fähigkeiten und Anwendungsmöglichkeiten. So könnten beispielsweise Roboterratten ihre Umgebung nicht nur über optische oder akustische, sondern auch durch haptische Signale erkunden. Solche Multisensorsyteme sind immer mehr gefragt. Sei es bei der Einparkhilfe am Auto, dem selbständig arbeitendem Staubsauger oder EKG-Shirts, bei denen die Sensoren in den T-Shirt-Stoff eingearbeitet sind und so Langzeit-EKGs ermöglichen. Tastsensoren sind auch hilfreich bei der Erforschung der Tiefsee und bei dem Aufspüren von Verstopfungen in Pipelines.