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Biomechanik: die mechanische Seite der Natur

Grashalm im Wind - Quelle: Pixabay
Grashalm im Wind - Quelle: Pixabay

Die Biomechanik befasst sich mit den Bewegungen von biologischen Systemen, gemeint sind also Pflanzen und Tieren. Sie ist Teil der technischen Mechanik, da die Belastungen von belebten Strukturen und beispielsweise Maschinenteilen Ähnlichkeiten aufweisen.
Die Optimierungsstrategien von Bäumen und Knochen dienen dabei als Vorbild für den Entwurf von Bauteilen mit hoher Biegefestigkeit, die für den Bau von Säulen und Balken aber auch im Brückenbau erforderlich ist.

Balkentheorie – Biegefestigkeit von Materialien
Mit hoher Wahrscheinlichkeit beschäftigte sich Leonardo Da Vinci als erster mit dem Problem der Biegung. Er kam jedoch nur zu rein qualitativen Aussagen, indem er die Tragfähigkeiten verschiedener Bauteile miteinander verglich. Im 16. Jahrhundert bemühte sich Galileo Galilei als erster darum, die Widerstandsfähigkeit, und in diesem Zusammenhang auch die Biegung fester Körper zu untersuchen. Aber auch Galileo konnte nicht alle Fragen der Biegung klären. So war es ihm beispielsweise nicht möglich, quantitative Aussagen zur Tragfähigkeit zu treffen. Er stellte nur fest, dass ein hochkant gestellter Balken tragfähiger ist, als ein flachkant gestellter. Galileo erkannte, dass die Summe der links- und rechtsdrehenden Momente gleich Null sein müsse, aber das Gleichgewicht der inneren Kräfte ist in seiner Theorie noch nicht enthalten. Galileis Hauptverdienst ist es, dass erstmalig die äußere Belastung in Relation zu den inneren Spannungen gesetzt wurde. Doch die Lage der Drehachse ordnete er am unteren Rand des eingespannten Balkens statt in der Mitte des Balkenquerschnittes an. Dieser kleine aber statisch bedeutsame und aus der Historie verständlicher Irrtum sollte sich bis in das 19. Jahrhundert auswirken.

Grashalme dämpfen die Schwingung
Pflanzen sind stabil, weil sie flexibel sind. Ein gutes Beispiel sind Grashalme. Sie wiegen sich im Wind ohne zu brechen. Der Trick der Grashalme liegt in ihrer inneren Struktur verborgen. Um ein Abbrechen oder Entwurzeln durch den Wind zu verhindern, müssen die Halme die mechanische Windenergie umwandeln. Somit erreichen sie eine Dämpfung der Schwingung. Diese Energieumwandlung bezeichnet man als Dissipation (lat. Zerstreuung). Hierbei handelt es sich um einen Vorgang in einem dynamischen System, bei dem beispielsweise Reibung in eine andere Energieform umgewandelt wird, zum Beispiel in thermische Energie. Die Dämpfung kann auf drei Arten erfolgen:

  1. Materialbedingte Dämpfung
  2. Aerodynamische bedingte Dämpfung
  3. Strukturelle Dämpfung

Jedes Material besitzt eine spezifische Dämpfungskonstant, die von der Materialzusammensetzung abhängt. Die materialbedingte Dämpfung beruht auf den mechanischen Eigenschaften von Gewebe und Zellen. Die aerodynamisch bedingte Dämpfung wird durch den Luftwiderstand hervorgerufen und die strukturelle Dämpfung begründet sich in der unterschiedlichen Schwingungsfrequenz von Blättern, Seitenästen und Hauptachse.

 

Dimensionen von Balken und Säulen
Die zu Grunde liegende Frage in der Architektur lautet: Wie viel dicker muss eine tragende Säule sein, wenn sie doppelt so lang sein soll? Damit eine größere Säule dasselbe leistet, wie eine kleinere, muss sie im Verhältnis dicker sein. Macht man also eine Säule doppelt so groß, also doppelter Durchmesser und doppelte Höhe, so zeigt sich das eine Verdoppelung der Größe zum vierfachen Widerstand gegen Verbiegen führt. Doch die Kehrseite der Medaille ist, dass eine dickere Säule auch ein größeres Eigengewicht mit sich bringt und deshalb nochmals dicker sein muss. Somit verlangen größere Strukturen andere Proportionen – und wenn die Unterschiede sehr groß sind, benötigen sie unter Umständen ein anderes Design, sprich ein anderes Aussehen. Dies gilt auch in der Natur. So besitzen große Säugetiere härtere und damit bruchanfälligere Knochen als kleine Tiere.

 

Ändern sich die Dimensionen, so ändern sich auch die mechanischen Gesetzmäßigkeiten. Pflanzen wie Bambus können Höhen von 40 Metern erreichen. Dabei sind die Wände ihrer Halme nur etwa einen Zentimeter dick. Ihre Stabilität ist in diesem Fall auf die hohe Flexibilität zurück zuführen. Würde man diese Dimensionen auf ein Hochhaus übertragen, so würde es bei Sturm 60 bis 70 Meter weit hin und her schwingen.

 

Quellen:

  • Bionik – Was wir von Pflanzen und Tieren lernen können, Zdenek Cerman, Wilhelm Barthlott, Jürgen Nieder, Rowohlt Taschenbuchverlag 2005
  • Von Grashalmen und Hochhäusern – Mechanische Schöpfungen in Natur und Technik, Steven Vogel, Wailey-vch Verlag 2000

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